Gewaltmonopol, das staatliche (Substantiv, Neutrum)

Jeder hat es bestimmt schon einmal gehört oder gelesen.
In Debatten, die über den Umgang zu dem Waffenrecht geführt werden, unterstellen die Waffengegner den Befürwortern, sie würden das „staatliche Gewaltmonopol“ aushöhlen.

Das ist erst einmal eine große Keule, die da geschwungen wird und war bisher auch sehr wirkungsvoll, wollte man in der Debatte wertvolle Punkte für sich sammeln.

Doch was ist das staatliche Gewaltmonopol, welches hier so erfolgreich als Totschlagargument gegen den Waffenbesitz ins Feld getragen wird? Für die vom Waffenbesitz unbefleckten ist dieser abstrakte Begriff vom Verständnis her wenig einleuchtend und auch unter legalen Waffenbesitzern können nicht Wenige den Begriff richtig deuten. Unter Waffengegnern hat sich eine Definition heraus kristallisiert, die der eigentlichen Bedeutung des Begriffes „staatliches Gewaltmonopol“ nicht nur nicht gerecht wird, sondern auch in seiner Aussage vollkommen falsch ist. 

Das staatliche Gewaltmonopol wird von den Waffengegnern wie folgt definiert:


Der Staat (in diesem Fall seine Polizei) hat das alleinige Monopol (Schuss)Waffen zu besitzen und das legitimierte Recht diese auch gegen die eigene Bevölkerung einsetzen zu dürfen. Ferner hat der Staat (durch seine Polizei) als einziger das Recht die eigene Bevölkerung vor Verbrechen zu schützen und diese aufzuklären.

Wie schon gesagt, wiederspricht diese Definition der eigentlichen Bedeutung des „staatlichen Gewaltmonopols“. Um den Begriff „staatliches Gewaltmonopol“ in seiner richtigen Bedeutung zu verstehen, muss man seine Entwicklung vor dem geschichtlichen Hintergrund betrachten.

Das „staatliche Gewaltmonopol“ umfasst eigentlich zwei Begriffe. Zum einen stellt sich hier die Frage, was ein Staat ist und welche Grundzüge eine Gemeinschaft besitzen muss, um als Staat definiert werden zu können.

Als nächstes dann muss geklärt werden, was ein Gewaltmonopol ist, wie es legitimiert wird und was seine Aufgabe ist.

Der Staat

Der Begriff „Staat“ ist in seiner Definition und Bedeutung vor dem geschichtlichen Hintergrund nicht eindeutig definiert. Die Auffassung vom Staat, wie er sich definiert und welche Rechte und Pflichten zwischen Staat und seinen Staatsbürgern bestanden, unterlagen in der Geschichte einem stetigen Wandel.

Erste Definitionen des Begriff „Staat“, der sich aus dem italienischen Begriff „lo stato“ (Status) ableiten lässt, finden sich in den Schriften von Niccoló Machiavelli (*1469-†1527). Nach seiner Definition war Staat ein gesellschaftliches Gebilde, in denen alle menschlichen Gewalten die Macht über Menschen hatten.
In den folgenden Jahrhunderten wurde die Begrifflichkeit des Staates, vor dem Hintergrund von Kultur und Religion, immer weiter entwickelt. Lange Zeit waren die Monarchien akzeptierte Staatsformen, denen ein von Gott gesalbtes Königsgeschlecht vorstand und das sich gemeinsam mit der Kirche auf einem Feudalsystem, gestützt auf seinem Adel und seiner Vasallen, gründete. Gestützt wurden die Monarchien unter anderem durch die Schriften des französischem Staatstheoretiker Jean Bodin (*1529-†1596), welcher in seinem 1576 erschienenem Werk „Sechs Bücher über den Staat“ die drei Staatsformen Demokratie, Aristokratie und Monarchie gegenüber stellte und der Erbfolgemonarchie den Vorzug gab.

Während der Periode der Aufklärung, in der sich das Bürgertum etappenweise emanzipierte und die damals postulierte göttliche Ordnung zwischen Monarchie, Klerus und Adel in Frage stellte, entwickelten sich, durch mehr oder weniger blutige Revolutionen und Bürgeraufstände, immer mehr Staaten weg von der Erbfolgemonarchie hin zu Staatsformen, die man zum größten Teil als demokratisch regierte Staaten bezeichnen kann.

In der heutigen Zeit definiert sich der Begriff „Staat“ im Völkerrechtlichen Sinne nach der Drei-Elemente-Lehre des Staats- und Völkerrechtlers Georg Jellinek (*1851-†1911).

Nach seiner Definition hat ein heutiger Staat folgende drei Merkmale:


  • eine Bevölkerung

  • einen geographisch abgrenzbaren Teil der Erdoberfläche

  • eine stabile Regierung, die effektive Gewalt ausübt

Es ist zunächst unerheblich, welche Regierungsform ein Staat ausbildet. Einschränkend muss hinzugefügt werden, das neu gegründete Staaten Völkerrechtlich von der UNO anerkannt werden müssen.
Die Definition vom „Staat“ nach Georg Jellinek korrespondiert mit der soziologischen Definition von Max Weber (*1864-†1920). Nach seiner Definition ist ein Staat eine Gemeinschaft, die innerhalb eines bestimmten Gebietes „das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht“ und ein „auf Legitimität gestütztes Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen“ darstellt.

In dieser Definition finden sich bereits die ersten Grundzüge, die dem heutigen Gewaltmonopol im Nachkriegsdeutschland zugrunde liegen.

Gewaltmonopol

Das Gewaltmonopol findet seine Wurzeln in dem ewigen Landfrieden von 1495. Der deutsche Kaiser Maximilian I (*1459-†1519) verkündete mit diesem Frieden ein dauerhaftes Fehdeverbot gegen seinen Adel. Es zielte damals vor allem auf die kleineren Adeligen ab, die während der Reformation des Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) im Zuge der Konsolidierung der Territorien zwischen Reichsfürsten und Reichstädten zu kurz kamen. Diese nutzen gerne das Mittel der privatrechtlichen Fehde, um in diesem Prozess der Konsolidierung ihre Macht- und Territorialansprüche zu wahren bzw. auszudehnen. Fortan sollten die Adligen ihr Recht nicht mehr durch Kampf, sondern auf dem Rechtsweg erstreiten. Privatrechtliche Fehden wurden verboten und kriminalisiert.

Zur Durchsetzung dieses Landfrieden bedurfte es einer funktionierenden Justiz. Hierzu wurde ein Reichskammergericht geschaffen, welches, und das war damals neu, unabhängig und losgelöst vom Hof des Kaisers, arbeitete. Personelle Besetzungen oder Änderungen der Gerichtsordnung wurden nicht vom Kaiser, sondern vom damaligen Reichstag durchgeführt.
Der Kaiser konnte nur durch den Akt der Gesetzgebung auf die Rechtsprechung Einfluss nehmen, er selbst aber war keine Rechtsprechende Instanz mehr.
Es wurden aber nicht nur Fehden im klassischen Sinn zwischen Adligen geführt. Es kam auch sehr oft vor, das aufgebrachte Bürger in einem Akt der Selbstjustiz das Recht in die eigene Hand nahmen. Wilhelm von Humboldt (*1767-†1835) schrieb 1792:

Denn bei der Zwietracht entstehen Kämpfe aus Kämpfen. Die Beleidigung fordert Rache, und die Rache ist eine neue Beleidigung. Hier muss man also auf eine Rache zurückkommen, welche keine neue Rache erlaubt – und diese ist die Strafe des Staats –, oder auf eine Entscheidung, welche die Parteien sich zu beruhigen nötigt, die Entscheidung des Richters.“

Wilhelm von Humboldt (*1767 – † 1835)

Wilhelm von Humboldt fordert hier ganz klar, dass die Bürger ihre Streitigkeiten vor Gericht austragen sollen, die Gerichte zur Neutralität verpflichtet sind, und das die Bürger die Urteile, uneingeschränkt der persönlichen Meinung, achten müssen.

Fortan war der Staat dafür verantwortlich, die Urteile, die von den Richtern verhängt wurden, zu vollstrecken. Heute undenkbar, war es damals durchaus üblich dass die geschädigte Partei ein verhängtes Urteil selbst vollstrecken konnte. Dies barg meistens aber den Keim für neue Streitigkeiten, weil z.B. die Durchführung einer Bestrafung grausamer als nötig durchgeführt wurde. Hier trat ebenfalls der Staat als neutraler Scharfrichter in Aktion, der Anhand von Regeln dafür sorgte, das verhängte Strafen für alle Verurteilten gleichermaßen vollstreckt wurden.

Der Rechtsprechung und der Strafvollzug, wie wir ihn Heute kennen, war geboren.

Abschluss

Zusammenfassend also ist das staatliche Gewaltmonopol nichts weiter als das Monopol des Staates auf Rechtsprechung und Vollstreckung der daraus resultierenden Strafen.

Im Gewaltmonopol ist nicht begründet, warum z.B. die Polizisten Schusswaffen tragen, Straftaten aufklären oder Straftäter verhaften. Dies alles kann auch von Zivilisten geleistet werden.
Wird ein Autodiebstahl aufgeklärt, indem der Geschädigte das gestohlene Auto auf eigene Faust sucht und durch Zeugenhinweise in einer Scheune findet (kürzlich im nahen Wohnumfeld des Autors geschehen), so ist das absolut Rechtmäßig und das staatliche Gewaltmonopol bleibt unbeschadet.
Auch dürfen Zivilisten eine vorläufige Verhaftung vornehmen, wenn sie Zeuge einer Straftat werden. Dies ist im §127 der Strafprozessordnung geregelt. Schusswaffen dürfen auch von Zivilisten getragen werden. Als Beispiel sind hier die Mitarbeiter von Wertguttransporten zu nennen. Sie sind aus dem gleichen Grund bewaffnet, wie es die Polizisten auch sind. Die Bewaffnung dient in beiden Fällen einzig der Selbstverteidigung im Fall einer Notwehr. Ein Polizist oder Mitarbeiter eines Bewachungsunternehmen, der seine Dienstwaffe zieht ohne das er selbst oder dritte einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff ausgesetzt ist, drohen im ersten Fall schwere disziplinarische Maßnahmen, im letzteren den Verlust des Arbeitsplatzes und eine Anklage.

Das bringt uns wieder zu der Situation, die Eingangs in diesem Artikel angesprochen wurde, nämlich dem privatem Waffenbesitz.
Wer Schusswaffen besitzt oder eine Liberalisierung des Waffenrechts dahin fordert, um sich zur Selbstverteidigung im rechtlichen Rahmen bewaffnen zu dürfen, der ist garantiert nicht darauf aus das staatliche Gewaltmonopol zu unterwandern. Die Bewaffnung der Polizei ist daher auch nicht auf das staatliche Gewaltmonopol als ganzes zurück zu führen, sondern auf die Gesetze des unmitelbaren Zwang. Dieses sehen eine Bewaffnung der Polizei als letztes Mittel zur Durchsetzung der Staatsmacht. Die Durchsetzung der Staatsmacht aber beeinhaltet nicht den individuellen Schutz des einzelnen Bürgers, sondern gilt immer der Gesellschaft und/oder der Bevölkerung als Ganzes.
Wer sich also als Privatmensch eine Schusswaffe zum Selbstschutz zulegen möchte, der ist vielmehr nach sorgfältiger Abwägung zu dem Entschluss gekommen, sich zur Erfüllung der gesetzlichen Auflagen an den Waffenbesitz unter ständiger behördlicher Kontrolle zu begeben bei gleichzeitiger Akzeptanz der Damokles-Artigen Gefahr des Verlust seiner Waffenrechtlichen Zuverlässigkeit durch kleinste Vergehen. Einen rechtstreueren Bürger als einen legalen Waffenbesitzer kann sich daher kein Gesetzgeber wünschen.