Am 1. Februar 2013 beschloss der Bundesrat fraktionsübergreifend und mit großer Mehrheit mit der Drucksache 744/12(B) einen Gesetzentwurf zum aktuellen Waffengesetz in den Bundestag einzubringen. Die Länderkammer glaubt ein Problem erkannt zu haben:
„Aufgrund der Ermittlungsergebnisse im Zusammenhang mit der so genannten „Zwickauer Terrorzelle“ ist deutlich geworden, dass der legale Waffenbesitz von Extremisten ein erhebliches sicherheitspolitisches Problem darstellt.“
Das Problem soll laut Länderkammer der legale Waffenbesitz der drei Rechtsterroristen gewesen sein. Es stellt sich aber, gerade im Hinblick auf den Verweis legaler Waffenbesitz und „Zwickauer Terrorzelle“ die Frage, welche der Waffen, mit denen das Trio über zehn Jahre lang mordend und unbehelligt durch die Verfassungsschutzbehörden durch die Republik zog, tatsächlich legal erworben und vorschriftsmäßig registriert waren. Die Antwort ist einfach: Keine. Trotzdem soll der Verweis auf das NSU-Trio als Begründung für die neue Bundesratsinitiative herhalten. Es steht ganz vorn in der Drucksache 744/12(B) und spielt auf den selbstverständlichen Grundkonsens aller demokratisch und rechtsstaatlich gesinnten Mitbürger an: Niemand möchte, dass Rechtsextremisten sich so einfach über Schützenvereine und WBK-Antrag mit Schusswaffen versorgen können.
Deshalb wollen die antragstellenden Bundesländer, vertreten durch die Innenminister, eine Änderung des §5, Absatz 5 WaffG in den Bundestag einbringen. Zusätzlich zur verpflichtenden Überprüfung durch die Erlaubnisbehörde soll in Zukunft nach §5, Abs. 5, Punkt 4
„die Auskunft der Verfassungsschutzbehörden[erfragt werden], ob Erkenntnisse vorliegen, die für eine Beurteilung der Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 bedeutsam sind.“
Mit anderen Worten: Jeder Waffenbesitzer soll in Zukunft danach überprüft werden, ob er Gruppierungen unterstützt oder selbst Bestrebungen verfolgt, welche die freiheitlich demokratische Grundordnung dieses Landes untergraben sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung sind.
Soweit die Idee, es stellen sich aber nun mehrere Fragen, frei nach dem Motto „Ist gut gemeint auch gut gedacht und gut gemacht?“:
- Wie und nach welchen Kriterien sollen die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern die zukünftige Flut der Anfragen bewältigen?
Es ist ja nicht nur so, dass der Bürger, der eine waffenrechtliche Erlaubnis beantragt, nur bei dieser und den folgenden dreijährigen Regelüberprüfungen bei den Ermittlungsbehörden abgefragt wird, sondern im Grunde alle sechs Monate, wenn die Gültigkeit der Abfrage-Ergebnisse verfällt und der Bürger z.B. für seine grüne Waffenbesitzkarte einen neuen Voreintrag möchte. Als ein Lösungsansatz für diese Frage könnte die geplante Datenbank zur Erfassung von Rechtsextremisten angeführt werden, die im Zuge des Skandals um die NSU und den gewaltigen Ermittlungspannen um diese kleine Terrorgruppe eilig ins Leben gerufen wurde. Nur entspricht nicht jeder Extremist oder Radikale den Kriterien, nach denen die Datenbank für Rechtsextremismus geführt wird. So geschah es z.B. 2008, dass ein bei dem hessischen und deutschen Sicherheitsbehörden als „islamistischer Gefährder“ geführter Deutschtürke, der 2007 einem südhessischen Schützenverein beitrat, für sich erfolgreich eine Waffenbesitzkarte beantragen und diverse Waffen kaufen konnte.
Die Erlaubnisbehörden müssten eigentlich in Zukunft auch nach Erkenntnissen außerhalb des rechtsextremistischen Milieus suchen, und jeweils bei insgesamt 17 Verfassungsschutzbehörden innerhalb der Bundesrepublik nachfragen, ob gegen ihren jeweiligen Antragsteller Erkenntnisse für ein Ausschlusskriterium zur persönlichen Zuverlässigkeit vorliegen. Anscheinend haben das die Antragsteller der Bundesratsinitiative bewusst oder unbewusst übersehen. Vielleicht will man aber nicht innerhalb der deutschen Sicherheitsarchitektur parallel zur Datenbank für Rechtsextremisten auch noch zusätzliche Datenbanken für Linksextremisten, Islamisten, Salafisten, Fußball-Hooligans, radikalen Abtreibungsgegnern oder militanten Tierschützern einrichten und diese den Ordnungsämtern zugängig machen. Denn das dürfte wenig im Sinne der Geheimdienste (und vielleicht auch einiger Parteien) sein. Ein Teufelskreis könnte sich auftun. - Wie aber reagiert nun ein Sachbearbeiter in der Erlaubnisbehörde, wenn auf die Anfrage eine der Staatsschutz- oder Verfassungsschutzbehörden Erkenntnisse liefert, die einer Zuverlässigkeit im Wege stehen?
Ist der Antragsteller bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, und ihm wird eine waffenrechtliche Erlaubnis mit Hinweis auf seine fehlende Zuverlässigkeit verwehrt, dann ist die einzig logische Konsequenz das der Verfassungsschutz einen beobachtet. Wie verhält sich jemand, wenn er weiß, dass er beobachtet wird? Mitnichten wird die weitere Beobachtung dem Verfassungsschutz dann die gewünschten aufhellenden Erkenntnisse liefern. Die Schuld könnte dann dem Sachbearbeiter zugeschoben werden, da dieser mangelnde Phantasie bei der Erfindung von gerichtsfesten Begründungen zum ablehnenden Bescheid bewiesen hat. - Was, wenn die Verfassungsschutzbehörden sich aber der Möglichkeit der Selbstversenkung ihrer Ermittlungen bewusst sind? Was, wenn der Verfassungsschutz trotz gegenteiligem Wissen der Erlaubnisbehörde gegenüber behauptet, dass es keine Erkenntnisse gibt?
Es ist allgemein bekannt, wie schwierig das Finden und Aufbauen von V-Leuten (Behördenjargon VP, Vertrauensperson/en) in der rechten Szene oder gar in anderen Gefährdungsbereichen ist. Das Anwerben und Halten von VP in der Szene bedeutet für die (verbeamteten) Mitarbeiter der Staatsschutzabteilungen in Landeskriminalämtern und Verfassungsschutzdiensten von Bund und Ländern nicht nur einen erheblichen Zeitaufwand. Man investiert Geld und Mühen. Das Führen und Abschöpfen eines V-Manns kommt einer Art persönlicher Rundum-Betreuung gleich. Zudem stellt eine VP, die wertvolle Informationen und Einsichten über ihre Szene liefert, für den Dienst, aber auch für den VP-Führer so etwas wie eine gute Aktie dar, über die man schützend die Hand hält. Denn auch die Karriere des V-Mann-Führers, behördenintern „Beschaffer“, sind gute Informanten mehr als zuträglich. Gerade das hat in der Vergangenheit ja dazu geführt, dass Dienste und Behörden untereinander keine Informationen geteilt und eifersüchtig darüber gewacht haben, dass keine Erkenntnisse über ihre Quellen an andere dringen konnten. Das skandalöse Versagen deutscher Behörden und Dienste in Sachen NSU-Trio, aber auch bei anderen früheren Debakeln bis zurück in die Anfangszeiten von Baader-Meinhof beruhte auf diesem geheimdienstlichen Schutzreflex.
Erst unlängst endete ein Strafprozess um illegalen Waffenbesitz und Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz gegen Peter S., einem seit vielen Jahren szene- und medienbekannten Neonazi und V-Mann mit einem Freispruch, weil sich die Dienste vor ihre VP stellten. Und ein vorläufiger Höhepunkt in der mit vielen Skandalen behafteten Aufklärung der Abläufe um das NSU-Trio bildet die Enthüllung, dass der von der Staatsschutzabteilung des Berliner Landeskriminalamtes geführte V-Mann Thomas S. den Zwickauer Bombenbastlern zum Anfang ihrer Karriere ein Kilo industriell gefertigten Sprengstoffs (TNT) beschaffte4. Alles nur, damit er Beate Zschäpe imponieren konnte, mit der er auch zeitweilig liiert war.
Dies ist kein Einzelfall. Schon früher wurden Links- wie Rechtsextremisten wiederholt von den Diensten und Staatsschutzbehörden mit Waffen und Sprengmitteln versorgt. Vor dem Hintergrund dieser Praxis ist es sehr fraglich, ob der Gesetzesvorstoß des Bundesrates in der Praxis überhaupt effektiv umgesetzt werden kann und nicht nur ein weiteres Stück Anscheinspolitik ist, mit dem man den Medien und dem Wahlvolk vorgaukelt, dass man „etwas macht“. Seit den 1970er Jahren des vorigen Jahrhunderts und dem Auftauchen von solchen extremistischen Trupps wie Tupamaros, 2.Juni, RAF, Wehrsportgruppe Hoffmann oder Omega bot sich das Waffenrecht als beliebte Spielwiese von solchen gesetzgeberischen Scheingefechten an, mit denen man angeblich die Innere Sicherheit gegen rechte und linke Gewaltbereite stärken wollte.
Rausgekommen ist dabei wenig bis nichts, außer ein Mehr an Bürokratie und an Planstellen im Öffentlichen Dienst. Aber mit dem Deutschen Michel kann man es ja machen. Denn sobald das Thema „legaler Waffenbesitz“ ins Spiel kommt, schaltet sich das kritische Nachdenken aus.